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Ist die Soße mit Mehl gebunden? Steckt in der Bratwurst Gluten? Ein Leben mit Zöliakie bedeutet, bei jedem Bissen wachsam sein zu müssen. Die Therapie der Erkrankung besteht nämlich in einer lebenslangen glutenfreien Diät. Eine jüngst im Fachblatt New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlichte Studie macht nun Hoffnung darauf, dass irgendwann auch ein Medikament bei Zöliakie helfen könnte. In der Untersuchung ging es darum, zu belegen, dass das erprobte Arzneimittel Wirkung zeigt und eine geeignete Dosierung zu finden. Weitere Studien an mehr Patienten sind notwendig, um beispielsweise eventuelle Nebenwirkungen aufzudecken, bevor an eine Zulassung zu denken ist.

Professor Detlef Schuppan ist Direktor des Instituts für Translationale Immunologie und der Ambulanz für Zöliakie, Dünndarmerkrankungen und Autoimmunität der Universitätsmedizin der Johannes Guttenberg-Universität Mainz. Er leitete das Forschungsteam, das den neuen Wirkstoff in Zusammenarbeit mit Pharmafirmen entwickelte und untersuchte.

Herr Prof. Schuppan, für Patienten mit Zöliakie gibt es bislang nur eine einzig wirksame Therapie: eine komplett glutenfreie Diät. Könnte sich das in der Zukunft ändern?

Im Augenblick gehe ich davon aus. Die Ergebnisse unserer Studie geben allen Anlass zur Hoffnung, dass es in einigen Jahren eine medikamentöse Möglichkeit geben wird, die vor den Folgen der Zöliakie schützen kann.

Professor Detlef Schuppan

Professor Detlef Schuppan

Sollte das Medikament zugelassen werden: Werden Zöliakie-Patienten damit in Zukunft essen können wie Gesunde?

Erstmal leider nicht. Wird es eine Zulassung geben, ist diese zunächst für Patienten zu erwarten, die unter glutenfreier Diät noch immer Beschwerden und Antikörper im Blut haben. Allerdings könnte es auch von Patienten eingesetzt werden, die zeitweise ungewollt glutenhaltige Speisen zu sich nehmen müssen, da Gluten ein häufiger Zusatzstoff ist. Zum Beispiel auf Reisen oder in Ländern, in denen keine zertifiziert glutenfreien Nahrungsmittel verfügbar sind.

Der Wirkstoff trägt den Namen ZED1227: Wie wirkt er?

Der Wirkstoff setzt an einem körpereigenen Enzym an, von dem wir wissen, dass es bei der Erkrankung eine entscheidende Rolle spielt: die Transglutaminase (TG2). Wir haben dieses Enzym bereits 1997 als das „Autoantigen“ der Zöliakie entdeckt und darauf basierend den Bluttest für die Diagnose der Zöliakie etabliert, der weltweit eingesetzt wird. Wenn die Gluteneiweiße in der Darmschleimhaut mit TG2 reagieren, werden diese Eiweiße so verändert, dass das Immunsystem der Zöliakiepatienten sie als „Feind“ erkennt und darauf mit einer starken Entzündung der Dünndarmschleimhaut reagiert. Der in Zusammenarbeit mit zwei Pharmafirmen entwickelte Wirkstoff hemmt die TG2. Er wird als Tablette verabreicht und von der Darmschleimhaut aufgenommen. Die entzündliche Reaktion dort wird blockiert. Es ist das allererste Medikament mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen Zöliakie.

Wie liefen die Tests ab?

Wir haben insgesamt 160 Patienten in vier Gruppen eingeteilt. Drei erhielten das Medikament in unterschiedlicher Dosis. Eine Gruppe bekam ein Placebo, also ein wirkstofffreies Scheinmedikament. Alle Testpersonen erhielten zusätzlich zu einer glutenfreien Diät sechs Wochen lang drei Gramm Gluten täglich. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Konsum bei normaler Ernährung mit Brot und anderen glutenhaltigen Produkten liegt bei etwa 15 Gramm. Alle Personen, die den Wirkstoff erhielten, waren in Remission, also wie geheilt. Je höher die Dosis war, desto stärker war die Wirkung. Es handelt sich hier um eine aufwendige internationale Studie, unter Beteiligung von 20 klinischen Zentren in sieben europäischen Ländern. Hier sind wir auch unseren Patienten dankbar, die sich freiwillig dieser Glutenbelastung und zwei Magen-Darm-Spiegelungen unterworfen haben.

Gab es in der Studie Nebenwirkungen?

Praktisch keine, die eindeutig auf den Wirkstoff zurückzuführen waren. Auch weil ZED1227 fast nur in der Darmschleimhaut wirkt. Nur drei Patienten in der Hochdosisgruppe hatten einen geringfügigen und kurzfristigen Hautausschlag.

Wie geht die Entwicklung des Medikaments nun weiter?

Getestet wird das Medikament als nächstes an sehr sensitiven Patienten, bei denen die glutenfreie Diät nicht genügt, um die Zöliakie in Schach zu halten. Geplant ist eine größere Studie mit etwa 450 Patienten, in die 40 Zentren eingebunden sind und die im Herbst 2021 beginnen soll.

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