Zehn Jahre Gesundheitskompetenz in Deutschland

Zehn Jahre Gesundheitskompetenz in Deutschland: Die neue Publikation von AU Impact.
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Nur noch ein knappes Viertel der Erwachsenen findet sich gut im Dickicht gesundheitsrelevanter Informationen zurecht. Die Ergebnisse haben sich damit im Zehnjahresvergleich beständig verschlechtert.
Das Video und das Audio der Pressekonferenz am 2. April 2025
Pressekonferenz mit der bayerischen Gesundheitsministerin Judith Gerlach
Editorial und Grußwort
Abwärtstrend hält an
Nur noch ein knappes Viertel der Erwachsenen findet sich gut im Dickicht gesundheitsrelevanter Informationen zurecht. Die Ergebnisse haben sich damit im Zehnjahresvergleich beständig verschlechtert.
Drei von vier Menschen mit großen Problemen

Drei von vier Menschen haben große Probleme in Sachen Gesundheitskompetenz.
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Trotz aller Bemühungen und Handlungsaufrufe der Wissenschaft zeigt sich im Zehnjahresvergleich bei der Gesundheitskompetenz eine deutliche Verschlechterung um mehr als 20 Prozentpunkte (s. Abb. oben). Im Jahr 2024 verzeichneten die Forscherinnen und Forscher bei 75,8 Prozent der Erwachsenen in Deutschland eine unzureichende Gesundheitskompetenz.
Damit haben drei von vier Menschen Probleme beim Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Gesundheitsinformationen. Zum Vergleich: Im Jahr der ersten Untersuchung 2014 lag die Zahl bei 54,3 Prozent. Sechs Jahre später verzeichnete die Forschung bereits eine Verschlechterung auf 64,2 Prozent.
Das Beurteilen sticht hervor

Besonders das Beurteilen von Gesundheitsinformationen fällt Befragten schwer.
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Gesundheitskompetenz bedeutet das Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Informationen (s. Abb. oben). Besonders das Beurteilen fällt den Befragten schwer. 82,6 Prozent weisen hier eine niedrige Kompetenz auf, gefolgt vom Anwenden mit 78,3 Prozent. Bei den verschiedenen Gesundheitsbereichen zeigt sich, dass den Befragten der Umgang mit Informationen zur Krankheitsversorgung am schwersten fällt. 80,6 Prozent zeigten dabei eine niedrige Kompetenz. Bei Prävention und Gesundheitsförderung fielen die Ergebnisse etwas besser aus.
Überraschungen bei soziodemografischen Merkmalen

Es gibt Überraschungen beim Zusammenhang von Gesundheitskompetenz und soziodemografischen Merkmalen wie Lebensalter und Wohnort.
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Die Studie zeigt einen signifikanten Zusammenhang zwischen Gesundheitskompetenz, Lebensalter und Wohnort. So verfügen die über 60-Jährigen über eine bedeutend bessere Kompetenz als jüngere Gruppen. Zudem schneiden Menschen in den neuen Bundesländern besser ab als in den alten. Anders als in früheren Studien und allgemein angenommen zeigt sich dagegen kein signifikanter Unterschied bei den Faktoren Bildung, Migrationsgeschichte, Einkommen und Geschlecht.
Zehn Forderungen an die Politik
- Gesundheitsbildung muss früh in der Kindheit in Kindergarten und Schule erlebbar sein. Didaktisch attraktiv ist sie über Fächer hinweg und im Rahmen der gesundheitskompetenten Schule zu vermitteln.
- Zur Steigerung der Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen müssen Angebote für Schule, Familie und Vereine entwickelt, implementiert und evaluiert werden.
- Die an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel sowie das Influencermarketing müssen eingeschränkt werden. Aufklärungskampagnen müssen über die kommerziellen Einflussfaktoren für die Kinder- und Jugendgesundheit informieren.
- Gesundheitsprofessionen müssen in modernen Kommunikationstechniken geschult werden, sodass die Kommunikations- und Ergebnisqualität verbessert wird.
- Die digitale Gesundheitskompetenz ist zu stärken. Nur dies gewährleistet, dass alle Bürgerinnen und Bürger von den positiven Effekten der elektronischen Patientenakte (ePA), digitalen Gesundheitsangeboten und -anwendungen sowie medizinischen Angeboten und Anwendungen profitieren können.
- Navigationale Gesundheitskompetenz ist die Voraussetzung dafür, dass die Menschen sich besser im Gesundheitswesen orientieren sowie das Versorgungssystem und ihre Patientenrechte besser nutzen können. Mithilfe von laienverständlicher und barrierearmer Kommunikation sowie einer Lotsenfunktion muss sie gestärkt werden.
- Die organisationale Gesundheitskompetenz in Einrichtungen des Gesundheitswesens und der Pflege ist auszubauen, damit sich Patientinnen und Patienten leichter im Gesundheitssystem zurechtfinden und Kommunikation auf Augenhöhe stattfindet. Dasselbe gilt für Bildungseinrichtungen.
- Die Gesundheitskompetenz im Beruf und am Arbeitsplatz ist zu fördern, damit Angebote des betrieblichen Gesundheitsmanagements und der betrieblichen Gesundheitsförderung wirksam greifen können.
- Mit einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne müssen die psychische Gesundheitskompetenz gestärkt und psychische Störungen enttabuisiert werden.
- Health Literacy in all Policies: Gesundheitskompetenz in allen Politikbereichen bedarf ressortübergreifender, ganzheitlicher und nachhaltiger Konzepte, um die Schlüsselqualifikation Gesundheitskompetenz in den Bereichen Prävention und Gesundheitsförderung sowie im Krankheitsmanagement zu implementieren.
Mehr als 30 Organisationen unterstützen diese zehn Forderungen an die Politik – siehe auch PDF zum Download.